Quelle : Promomaterial
Im manisch depressiven Pandemiewinter schmeißen sich „My Little White Rabbit“ lustvoll in ein kunterbuntes Bällebad aus psychedelischem Garage-Rock und 80er Synthie-Pop. Gemein für alle, die sich derzeit nur zu gern bei Schnee-bedeckten Fensterpanoramen mit Tee und Kuscheldecke einkasteln; hier gibt es die volle Breitseite mit tanzbaren Up-Tempo-Nummern und wabernden Gitarrenwänden.
Das Quintett aus Hamburg um Sängerin und Gitarristin Rike Pfeiffer hatte die Zwangspause im vergangenen Jahr genutzt, um sich in den Schalltona Studios der Hansestadt einzunisten und dabei 12 Songs für den Nachfolger ihres Debüts „Bullets & Poor Hearts“ aufzunehmen. Die Fruchtbarkeit dieser Schaffensphase unter etwas anderen Bedingungen spürt man bereits in den ersten energiegeladenen Sekunden von „Bat in my Livingroom“. Die Songs wirken nun zielstrebiger, spritziger und der Sound insgesamt ausgereifter. Den politischen Diskurs beherrscht die Band, deren Name eine Anspielung auf einen Klassiker von Jefferson Airplane beinhaltet, allerdings genauso wie ihr Instrumentenhandwerk. Inhaltlich geht es um wichtige Themen, die im Schatten der Corona-Omnipräsenz nach wie vor von gesellschaftlicher Bedeutung sind. Während in „Rusty Nail“ und „Moneymaker“ eine Schelte gegen das allseits beliebte Feindobjekt „Kapitalismus“ abgefeuert wird, sollten einem nach „Lucky People“ die Glocken läuten, welch ein Privileg es doch ist, kein Tier unter Menschen sein zu müssen. Und „Hello Mister“ ist mit seiner dezent feministischen Botschaft, seinem Radio-Pop Appeal und charmanten Synthie-Klängen zweifellos jetzt schon einer der launigsten Songs 2021.
Dass diese Themen „My Little White Rabbit“ so locker und unaufdringlich von der Hand gehen, mag an ihrer humoristischen Art liegen, von der man sich persönlich im Band-eigenen Podcast überzeugen und anstecken lassen darf. Darüber hinaus betonte Pfeiffer jedoch ebenso im Gespräch mit HORADS : „Wir sind keine Polit-Band, die ständig mit erhobenem Zeigefinger auf andere deutet“. Assoziationen zu stilistisch verwandten Vertreten wie „Blues Pills“ oder der Würzburger-Band „Wolvespirit“ schweben beim Hören zwar ständig im Raum, sind aber nur bedingt zulässig. Dafür packen die Hamburger zu gerne die Punk-Rock Keule aus, oder setzen dem Hörer zwischendurch auch mal verstörende Experimente an die Ohren, die nicht auf Songlänge gemünzt sind. Langweilig wird es auf „Lowest Heights“ daher eher selten. Nur das Gefühl, alles schon mal so oder so ähnlich gehört zu haben, lässt sich bei der Platte irgendwie schwer abstreifen. Abgesehen davon finden wir den Genre-Mix aber sehr gelungen. So sehr, dass selbst der Streaming-Algorithmus sich am Ende genau umschauen muss, wo er „My Little White Rabbit“ verorten kann.
Gleichzeitig liefert das karrierejunge Kollektiv mit „Lowest Heights“, wie auch schon zuletzt „Sperling“, beste Argumente für die Nachwuchsoffensive deutscher Bands, deren Daseinsberechtigung sich derweil eher am Angebot fehlender Live-Auftrittsmöglichkeiten, als mangelndem Mut zur Innovation und fehlendem Talent entscheidet. Ein leises Versprechen für einen Auftritt im Kessel gab es allerdings schon im Interview, weshalb wir Lockerungen für die Musik- und Kulturbranche langsam doppelt und dreifach herbeisehnen. Bis dahin kann und sollte man sich schon mal die Zeit nehmen, mit dieser aufstrebenden Band warm zu werden.
Anspieltipps : Hello Mister, Bat In My Livingroom, Moneymaker
Release : 22.01.2021 bei popup-Records
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„Lowest Heights“ im Stream :