Albumschau : Sperling – „Zweifel“


Quelle : Promomaterial


Es scheint Post-Hardcore aus Deutschland bekommt allmählich ein Luxusproblem. Neben etablierten Bands wie Heisskalt, Fjørt, Van Holzen oder Turbostaat, reihen sich nun die fünf Jungs von Sperling in die lange Linie einer, in den letzten Jahren stark auflebenden, Szene mit ein. Erfreulicherweise nicht in Form lebloser Epigonen von zuvor Dagewesenem, sondern willkommenen Erweiterung des bisherigen Spektrums. Auf ihrem Erstlingswerk „Zweifel“ wandert das Kollektiv aus dem Pfälzischen Hunsrück in selbstbewussten Schritten an der Grenze zu schwermütigem Indie-Rock und spritzigem Deutsch-Rap.

Aus diesem Spagat geht ein Album hervor, das sich ob seiner Melancholie passgenau in die gegenwärtige Winterdüsternis fügt und in ganz wenigen Momenten wärmende Sonnenstrahlen verspricht. Maßgeblich dazu Anteil nehmend an dieser grau-grauen Wolkendecke – ein einsames Cello, welches bei der insgesamt gelungenen Produktion dem Rock-Band Ensemble harmonisch zur Seite rückt, ohne gleich den Kitsch-Pinsel an jeder Ecke schwingen zu wollen. Darüber hört man Frontman „Jojo“ energisch, zwischen Reibeisenstimme und sanftem Sprechgesang, die Themen seiner weltlichen Innenperspektive verarbeiten. „Alle Texte sind auch immer Texte über mich.“, gab der Sänger und Texter im Soundcheck-Interview zu verstehen.

Davon zehren kann allerdings jeder, denn abseits dieser Einblicke bieten die Songs weitreichendes Identifikationspotenzial und streifen laut am Rand der Gesellschaft, dass dem gemeinen Sinnsucher genügend Arbeitsmaterial entgegensteht. Es geht um Vergänglichkeit und Tod, um Haltung und Pflicht, um die Liebe, das Erwachsenwerden und nicht gehörte Stimmen. Und um eine direkte Abrechnung mit einer Musikbranche, die sich eher der Kalkulation verschworen hat, anstatt dem ambitionierten Nachwuchs Flügel zu verleihen: „Zum tausendsten Mal produziert und doch wieder verkauft/immer noch dieselben Kriecher kriegen viel zu viel Applaus/also peace bitches/wir sind raus“ (aus „Eintagsfliege“).

Für die einen wird „Zweifel“ definitiv harte Kost zur Unzeit sein, während es für andere die kanalisierte Gefühlslage in Reinkultur verkörpert. Und für „Sperling“? Vielleicht exakt das Album, worauf sich die Band zu Beginn eingeschworen hatte. Spannend bleibt zuletzt allein die Frage, ob die Newcomer es auch künftig schaffen werden, Konzept und Sound gekonnt zu variieren, bevor man von seinen eigenen Dämonen eingeholt wird. Wer nämlich gleich beim ersten Erscheinen mit Feuer auf die Branche spuckt, lastet sich unweigerlich eine Bringschuld auf, die eine Karriere noch lange begleiten kann. Bis dahin darf man den Jungs allerdings zu ihrem pointierten Einstieg gratulieren, an dem nur wenig Grund zum Zweifeln haften bleibt.


Anspieltipps : Stille, Toter Winkel, Relikt
Sperling’s Debüt-Album „Zweifel“ erscheint am 22.01.2021 bei Uncle M.
Zur Bandhomepage von Sperling.
Zweifel“ im Stream :


 

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