HORADS gewinnt beim LFK-Medienpreis 2020

Am Montag, 17. Mai 2021, fand die Verleihung des LFK-Medienpreises 2020 der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg statt, der pandemiebedingt um ein Jahr verschoben wurde.

HORADS hat beim LFK-Medienpreis 2020 einen Preis in der Kategorie „Hörfunk – Nicht kommerzielle Veranstalter, Fachhochschulen und Universitäten“ gewinnen können. Ausgezeichnet wurde das Radiofeature „Gefangen im IS – wie einer Jesidin die Flucht nach Deutschland gelang“ von Svitlana Magazova, Julia Schuster und Sahin Kablan.

Copyright: Andreas Dalferth

Der 16-minütige Beitrag des Trios thematisiert den in 2014 begonnenen Völkermord an den Jesiden durch die Terrororganisation Islamischer Staat im Nordirak. Am Morgen des 3. August 2014 fiel der IS in die nordirakische Sindschar-Region ein, das Hauptsiedlungsgebiet der jesidischen Bevölkerungsgruppe. Schätzungsweise 10.000 Menschen wurden ermordet und bis zu 7.000 Frauen und Kinder wurden verschleppt und versklavt. Zehntausende verlieren ihre Heimat und müssen fliehen; Tausende werden bis heute vermisst. Das Sonderkontingent Nord-Irak des Landes Baden-Württemberg sollte tausend besonders schutzbedürftige Frauen und Kinder aus dem Nordirak in Deutschland aufnehmen. Eines der aufgenommen Mädchen ist Hêlîn, die im Interview mit den Macher*innen des Beitrags ihre Geschichte von der Entführung und Gefangenschaft durch den IS, der Versklavung und schließlich von ihrer Flucht erzählt. Auch der Leiter des Sonderkontingents Michael Blume wurde interviewt, der im Irak sein Leben riskierte, um Menschen zu helfen.

Den Beitrag könnt ihr natürlich auf Soundcloud anhören.

 

Die Jury des LFK-Medienpreises schreibt über den Beitrag folgendes:
„Engagierter Journalismus mit Haltung – außergewöhnlich mutige, packende und emotionale Erzählung, die unglaublich nah an die Protagonistin herankommt. Absolut überzeugende Ausarbeitung eines berührenden Themas und höchstes journalistisches Niveau.“

Svitlana und Sahin haben uns im Interview mehr Information über die Entstehung des Preisträger-Beitrags gegeben. Leider konnte Julia Schuster aus zeitlichen Gründen nicht beim Interview dabei sein.

Wie war das für euch den Preis zu gewinnen? Habt ihr damit gerechnet?

Svitlana Also ich habe damit jetzt nicht unbedingt gerechnet. Mir war schon klar, dass das Thema wichtig und relevant ist und wir krasse Protagonisten hatten, aber die anderen Beiträge waren ja auch sehr gut. Man weiß ja nie, worauf da geachtet wird und wir kannten die Kriterien natürlich nicht.

Es lag ja auch viel Zeit zwischen der Entstehung des Beitrags vor 2 Jahren und dem LFK Medienpreis in 2021. Hat euch die Nominierung dadurch noch mehr überrascht?

Svitlana Ja das war ein bisschen komisch. Eigentlich wollten wir bereits 2019 unseren Beitrag einreichen, waren aber zu spät. Dann dachten wir uns, reichen wir es halt zum nächsten Jahr ein, aber in 2020 wurde der Medienpreis verschoben. Dementsprechend war da schon eine große Lücke dazwischen. Wir wussten etwa ein Jahr lang, dass wir nominiert sind aber wussten ein Jahr lang nicht, was damit jetzt ist. Deswegen war es cool, jetzt die Gewissheit zu haben.

Was habt ihr beim LFK-Medienpreis überhaupt gewonnen?

Svitlana Wir haben 3.000€ Preisgeld gewonnen, das wir dann zur Hälfte auch spenden wollen an Hêlîn selbst und teilweise auch an Menschenrechtsorganisationen. Ansonsten freut uns, dass das Thema dadurch wieder mehr Aufmerksamkeit bekommt. Es ist natürlich nicht mehr ganz aktuell, der IS hat sich aus dem Nordirak größtenteils zurückgezogen aber trotzdem droht vielen Frauen die Abschiebung, weil der Schutzstatus teilweise aberkannt wurde. Deswegen ist das Thema immer noch sehr relevant und wir hoffen, dass dem wieder mehr Beachtung gegeben wird. Aktuell wird darüber ja kaum gesprochen.

Wie ist dieser Beitrag denn zustande gekommen und wie seid ihr auf dieses Thema aufmerksam geworden?

Sahin Wir hatten eigentlich gemeinsam den Kurs „Radioworkshop“, da habe ich das Thema vorgeschlagen, weil meine Freundin bei diesem Sonderkontingent dabei war, also vor Ort als Dolmetscherin. Sie war insgesamt glaube ich 8-mal drüben und hat dort mitgeholfen.
Svitlana Im Kurs hatte sich das Thema im Endeffekt aber nicht durchgesetzt. Zunächst war es noch wahrscheinlich, dass wir es doch machen und wir hatten schon mit Interviews angefangen. Das Interview mit Hêlîn war sogar schon im Kasten. Aber dann wurde das Thema für den Kurs ein bisschen zu krass, weil es so umfangreich ist und sehr viel Recherche und Verantwortung dahintersteckt und für den Rahmen des Seminars zu viel war. Der Kurs ist also auf ein anderes Thema ausgewichen aber wir zu dritt wollten es trotzdem auf eigene Faust machen, weil wir es wichtig fanden.

Woher kanntet ihr Helin und wie habt ihr von ihrem Schicksal erfahren?

Sahin Als wir das Thema aufgearbeitet haben, wussten wir, dass wir eine Betroffene interviewen möchten. Da meine Freundin wie gesagt vor Ort war, konnten wir nachfragen und über Umwege dann einen Kontakt finden und dann das Interview mit ihr so führen, dass es sicher und anonym ist, weil es natürlich ein sehr sensibles Thema ist.

Wisst ihr denn, wie es Helin aktuell geht?

Sahin Da sind wir gerade dran und versuchen sie zu kontaktieren, weil wir ihr ja auch einen Teil spenden möchten und um mit ihr nochmal zu quatschen und ihr von der frohen Botschaft zu berichten. Leider haben wir sie noch nicht erreicht, aber wir haben schon einen Kontakt bekommen – also hoffentlich klappt das bald.

Könnt ihr etwas zur aktuellen Situation der Jesiden erzählen?

Svitlana Also insgesamt ist es schon so, dass sich der IS dort zurückgezogen hat und der Irak plant ein Gesetz, oder hat es vielleicht auch schon durchgesetzt, das die jesidische Bevölkerung unterstützen soll. Aber viele der Betroffenen kritisieren, dass das Gesetz nicht viel bringen wird und die Jesiden immer noch diskriminiert werden und Gewalt ausgesetzt sind. Einigen jesidischen Frauen droht jetzt sogar die Abschiebung, weil ihnen der Schutzstatus aberkannt wurde oder aberkannt werden soll, weil sie durch den Rückzug des IS angeblich wieder sicher sein sollen. Damals haben auch manche Frauen bewusst diesen Schutzstatus hinter sich gelassen, weil so die Familienzusammenführung schneller funktioniert. Dadurch können sie aber auch einfacher abgeschoben werden. Es ist also ein großes Problem, dass viele Frauen in ein Gebiet abgeschoben werden sollen, wo sie immer noch nicht sicher sind. Die Deutsche Welle hat vor kurzem darüber berichtet und Hawar.help ist eine jesidische Menschenrechtsorganisation, die viel über die Lage der Jesidinnen informiert.
Sahin Ja, dieser Verein kümmert sich viel um die Belange der jesidischen Bevölkerung

Vielen Dank an Svitlana und Sahin für dieses Interview und ganz besonders natürlich auch großen Dank an das ganze Team für diesen großartigen Radiobeitrag. Dafür, dass ihr euch getraut habt, ein so kompliziertes Thema journalistisch auszuarbeiten und so auf die Situation der Jesidinnen aufmerksam macht, habt ihr diesen Preis absolut verdient gewonnen.

Wie Svitlana im Interview bereits erwähnt hat, könnt ihr auf Hawar.help mehr über die Situation der Jesidinnen erfahren und auch die Deutsche Welle hat zwei Artikel über die Folgen des Genozids geschrieben, die ihr hier und hier finden könnt.

Außerdem haben Svitlana, Sahin und Julia in ihrer Radiosendung „KontrastProgramm“ noch mehr über die Hintergründe dieses Features gesprochen.

Henrik Praefcke