Heimat, das ist der Ausdruck für das Daheim-Gefühl. Und weil das schwer zu beschreiben und für manchen auch schwer zu finden ist, braucht es ein Heimatministerium. Dachten sich zumindest die Bayern von der CSU, als sie 2014 ein eigenes Ministerium dafür einführten. Und die Union ist überzeugt davon: 2017 eröffnete ein Heimatministerium in Düssdorf für NRW, und dieses Jahr brachte Horst Seehofer das Ministerium mit in den Bund. Herzlich willkommen im Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat!
Ein Ministerium für Gefühle, der Staat mischt im privaten Bereich mit – kann das gut gehen? Entsprechend fielen erste Reaktionen auf Heimatminister Seehofer aus: Braucht man den Heimathorst? Ist so ein Heimatministerium nicht furchtbar rückwärtsgewandt, provinziell und gartenzwergig?
Aber bevor geurteilt wird: Wofür ist ein Heimatministerium überhaupt genau da?
Heimatminister gelten als neues Wundermittel gegen Wutbürger, als Besänftigung für wütende AfD-Wähler, vor allem aus dem Osten. Kein Wunder, sind doch die Ostdeutschen die Gruppe mit der größten Heimatliebe, der größten Heimatsehnsucht. Vermutlich auch, weil es die alte Heimat eben nicht mehr gibt. Ja und danach folgen die Bayern – sagt zumindest eine aktuelle Forsa-Umfrage.
Das bayrische Ministerium hat das Ziel, gleichwertige Lebensverhältnisse und Arbeitsbedingungen herzustellen – auch in Regionen abseits der großen Hauptstädte. Erste Amtshandlung war so etwa, den Dienstsitz nach Nürnberg zu verlagern. Die Heimat, das Land Bayern soll in seiner dezentralen Struktur gestärkt werden, weitere Verwaltungen und Behörden folgten mit dem Umzug in die Provinz. Auch neue Hochschulstandorte wurden abseits der Metropolen aufgebaut. Strukturschwache Regionen werden darüber hinaus mit einem großen Infrastrukturausbau gefördert, Breitbandausbau und freies WLAN inklusive.
In erster Linie sind die Heimatministerien aber Wohlfühlministerien, die einfach Geld verteilen dürfen. Sachlich betrachtet, ist nämlich gerade der Sinn des Berliner Ministeriums anzuzweifeln. Wenn es um Politik in Regionen geht, haben die Länderministerien nämlich naturgemäß mehr Zuständigkeiten als Seehofers Bundesministerium. Und für den ländlichen Raum an sich ist in Berlin auch noch das Landwirtschaftsministerium zuständig.
Alles nur Postengeschacher und Kompetenzwirrwarr?
Die Experten sind sich einig: es geht weniger um fundamentale Änderungen als um einen symbolischen Kontrapunkt gegen Individualisierung in der zunehmend globalisierten Welt – also die angesprochene Beruhigung des verunsicherten Bürgers.
Das soll mit der Verbindung der geliebten Heimat gelingen. Und da kommt der Knackpunkt. Der deutsche Heimatbegriff ist historisch kompliziert und ideologisch aufgeladen. Die AfD interpretiert ihn völkisch-reaktionär als Bollwerk gegen alles Fremde. Heimat, die gehört uns – und wir verteidigen sie gegen fremde Eindringlinge. Der Zusammenhalt in der Gruppe der Heimatzugehörigen geht zulasten der Integration Externer.
Und noch ein Problem: Heimat ist für jeden individuell, wie kann da die Politik einen Vertretungsanspruch für alle formulieren? Gibt es die richtige, vom Ministerium unterstützte und die falsche Interpretation von Heimat?
Fest steht: In all den Jahren hat es ein Heimatministerium nicht gebraucht – und es ist auch heute, trotz Globalisierung und vermeintlich bewegten Zeiten nicht erforderlich. Gerade in Zeiten zunehmender Internationalisierung grenzt die staatliche Aufsicht der Heimat andere aus. Den Bürger wird Geborgenheit simuliert – in der Hoffnung auf gute Umfragewerte.
Die Besinnung auf lokale Traditionen ist deswegen nicht schlecht, der moderne Staat hat in dieser Privatsphäre seiner Bürger aber wenig zu suchen. Der Trend Heimatministerium lädt aber zum Nachdenken an. Was ist für mich Heimat? Wie verbinde ich meine Heimat mit der deutschen Regierung? Und das ist dann ein AHA-Moment.